Michael Eberts zweiter Roman „Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent“ ist ein literarischer Hochseilakt, der mit bemerkenswerter Eleganz zwischen tiefgründiger Tragik und erfrischender Komik balanciert. Im Mittelpunkt steht der Mathematiklehrer Dr. Hannes Hennes, dessen Leben in einer Abwärtsspirale aus peinlichen Katastrophen und existenziellen Krisen versinkt.
Der Protagonist trägt bereits in seinem Namen eine gewisse Tragikomik: Hannes Hennes, ein Mann, dessen Eltern ihm wenigstens mit dieser Namenskombination etwas Aufregendes mitgeben wollten. Doch das Leben des Gymnasiallehrers gerät vollends aus den Fugen, als sein Bruder den Nobelpreis für Medizin erhält, während er selbst bei „Wer wird Millionär?“ an der 50-Euro-Frage scheitert und als „Dr. Depp“ auf dem Titelblatt der Boulevardpresse landet. Als ob diese Demütigungen nicht genug wären, führt ein tragischer Zwischenfall mit dem Jagdgewehr seines besten Freundes zum Tod eines Mitschülers seiner Tochter Klara, die daraufhin den Kontakt zu ihm abbricht.
Der Mann als unzulängliches Wesen
Ebert, im Hauptberuf Chefredakteur des Süddeutsche Zeitung Magazins, zeichnet mit feiner Feder das Porträt eines Mannes, der in einer tiefen Lebenskrise steckt. Hannes verkörpert dabei exemplarisch das männliche Dilemma: In ihm tobt ein gewaltiger Gefühlssturm, doch nach außen kann er sich nur in „trockenen, dürren, dürftigen Sätzen und Gesten“ ausdrücken. Wenn es brenzlig wird, beruhigt er sich, indem er im Kopf die Nachkommastellen von Pi aufzählt – ein mathematischer Rückzugsort, der seine emotionale Hilflosigkeit unterstreicht.
Der Roman entwickelt sich zu einem irrwitzigen Roadtrip, als der verzweifelte Protagonist beschließt, sein Leben zu beenden – aber nicht, bevor er eine letzte Heldentat vollbracht hat: die Rettung des in Essig konservierten Gehirns seines mathematischen Idols Carl Friedrich Gauß. Diese Reise führt ihn in ein Luxushotel, in die Katakomben der Charité und sogar in ein absurdes Männerseminar mit dem vielversprechenden Titel „Mann sein & Krieger werden“.
Poetische Leichtigkeit mit philosophischer Tiefe
Was Eberts Roman auszeichnet, ist die Fähigkeit des Autors, existenzielle Fragen mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit zu verhandeln. „Wie hält man das Leben aus? Wer kehrt die Scherben auf, wenn alles in die Brüche geht?“ Diese philosophischen Grundfragen werden in einer Erzählung verpackt, die „poetisch im Ton, so weise wie wahnwitzig“ ist. Der Autor tänzelt dabei auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Tragik, ohne jemals in den reinen Klamauk abzurutschen.
Die anekdotenhafte Erzählweise reiht Tiefsinniges, Berührendes und Urkomisches aneinander und schafft einen Roman, der sich liest wie ein Film. Besonders beeindruckend ist, wie Ebert die Themen Schuld, Scham und die Unerbittlichkeit des Zufalls verwebt und dabei stets einen empathischen Blick auf seinen tragischen Helden bewahrt.
Ein mathematisch präzises Vergnügen
„Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent“ ist eine rasante Tragikomödie über den Versuch, sein Leben in den Griff zu bekommen, wenn das Schicksal andere Pläne hat. Michael Ebert, der seinen Roman nachts am Küchentisch nach der Arbeit geschrieben hat, hatte dabei offensichtlich „eine diebische Freude“ – und genau diese Freude überträgt sich auf die Leserschaft. Mit seinem zweiten Werk beweist Ebert, dass er große Fragen auf leichte und unterhaltsame Weise verhandeln kann, ohne dabei an Tiefgang zu verlieren.